Thursday, August 10, 2006

Erich Fried - a great poet

Erich Fried is an Austrian Poet born in 1921, died in 1988, I have always adored him for his critical political attitude,his criticism on society structures that suppress the weaker, for his beautiful love poems,which never sound artificial or cheap, which touch deep down . Two poems published here are in German and English the others in the original language : German.

Eine Stunde
Ich habe eine Stunde damit verbracht

ein Gedicht das ich geschrieben habe

zu korrigieren

Eine Stunde

Das heiĂźt: In dieser Zeit

sind 1400 kleine Kinder verhungert

denn alle 2½ Sekunden verhungert

ein Kind unter fĂĽnf Jahren

in unserer Welt

Eine Stunde lang wurde auch

das WettrĂĽsten fortgesetzt

und 62 Millionen achthunderttausend Dollar

wurden in dieser einen Stunde ausgegeben

für den Schutz der verschiedenen Mächte

voreinander

denn die RĂĽstungsausgaben der Welt

betragen derzeit

550 Milliarden Dollar im Jahr

Auch unser Land trägt dazu

sein Scherflein bei



Die Frage liegt nahe

ob es noch sinnvoll ist

bei dieser Lage der Dinge

Gedichte zu schreiben.

Allerdings geht es

in einigen Gedichten

um RĂĽstungsausgaben und Krieg

und verhungernde Kinder.

Aber in anderen geht es

um Liebe und Altern und

um Wiesen und Bäume und Berge

und auch um Gedichte und Bilder



Wenn es nicht auch

um all dies andere geht

dann geht es auch keinem mehr wirklich

um Kinder und Frieden

Erich Fried


One Hour



I have spent one hour

correcting

a poem that I have written



One hour

That means: In this time

1400 small children died of starvation

because every 2½ seconds

one child under five starves to death

in our world


Also for one hour

the arms race continued

and 62 million eight hundred thousand dollars

were spent in this one hour

for the protection of various powers

from each other

for the military spendings of the world

at the moment amount to

550 billion dollars per year

Our country also

contributes its mite



The question arises

if it still makes sense

to write poems

with the way things are

It maybe true

that some poems are about

military spendings and war

and starving children

But others are about

love and aging and

meadows and trees and mountains

and also about poems and pictures



If it wasn't also for

all these other things

then nobody really cares

about children and peace either anymore.

Translated from the German by Anna Kallio

Nicht nichts
Nicht nichts
ohne dich
aber nicht dasselbe
Nicht nichts
ohne dich
aber vielleicht weniger
Nicht nichts
aber weniger
und weniger
Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel

Wintergarten

Deinen Briefumschlag
mit den zwei gelben und roten Marken
habe ich eingepflanzt
in den Blumentopf

Ich will ihn
täglich begiessen
dann wachsen mir
deine Briefe

Schöne
und traurige Briefe
und Briefe
die nach dir riechen

Ich hätte das
frĂĽher tun sollen
nicht erst
so spät im Jahr

Aufhebung
Sein UnglĂĽck
ausatmen können

tief ausatmen
so daĂź man wieder
einatmen kann

Und vielleicht auch sein UnglĂĽck
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte

Und weinen können

Das wäre schon
fast wieder
GlĂĽck

Erich Fried
Compensation [Abolition]
To be able to breathe out
ones unhappiness

to breathe out deeply
so that one can
breathe in again

And perhaps being able to speak out
ones unhappiness
in words
in real words
which are connected together [coherent]
and make sense
and which oneself
still can understand
and which perhaps even
somebody else understands
or could understand

And to be able to cry

This again
nearly would be
happiness

Translation by M. Kaldenbach

Die lautere Wahrheit

Die ganze Unwahrheit
setzt sich aus lauter ganz wahren
Wahrheiten
oder
Teilwahrheiten zusammen

Nur haben sich die
miteinander
noch nie ganz
auseinandergesetzt

So ist die ganze
LĂĽge
möglich geworden

aus: Erich Fried; Gesammelte Werke, Band 3, Seite 259

Was weh tut Wenn ich dich
verliere
was
tut mir dann weh?

Nicht der Kopf
nicht der Körper
nicht die Arme
und nicht die Beine

Sie sind mĂĽde
aber sie tun nicht weh
oder nicht ärger
als das eine Bein immer wehtut

Das Atmen tut nicht weh
Es ist etwas beengt
aber weniger
als von einer Erkältung

Der RĂĽcken tut nicht weh
auch nicht der Magen
Die Nieren tun nicht weh
und auch nicht das Herz

Warum
ertrage ich es
dann nicht
dich zu verlieren?

Herrschaftsfreiheit Zu sagen
"Hier
herrscht Freiheit"
ist immer
ein Irrtum
oder auch
eine LĂĽge:

Freiheit
herrscht nicht

ERICH FRIED

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