Erich Fried is an Austrian Poet born in 1921, died in 1988, I have always adored him for his critical political attitude,his criticism on society structures that suppress the weaker, for his beautiful love poems,which never sound artificial or cheap, which touch deep down . Two poems published here are in German and English the others in the original language : German.
Eine Stunde
Ich habe eine Stunde damit verbracht
ein Gedicht das ich geschrieben habe
zu korrigieren
Eine Stunde
Das heiĂźt: In dieser Zeit
sind 1400 kleine Kinder verhungert
denn alle 2½ Sekunden verhungert
ein Kind unter fĂĽnf Jahren
in unserer Welt
Eine Stunde lang wurde auch
das WettrĂĽsten fortgesetzt
und 62 Millionen achthunderttausend Dollar
wurden in dieser einen Stunde ausgegeben
für den Schutz der verschiedenen Mächte
voreinander
denn die RĂĽstungsausgaben der Welt
betragen derzeit
550 Milliarden Dollar im Jahr
Auch unser Land trägt dazu
sein Scherflein bei
Die Frage liegt nahe
ob es noch sinnvoll ist
bei dieser Lage der Dinge
Gedichte zu schreiben.
Allerdings geht es
in einigen Gedichten
um RĂĽstungsausgaben und Krieg
und verhungernde Kinder.
Aber in anderen geht es
um Liebe und Altern und
um Wiesen und Bäume und Berge
und auch um Gedichte und Bilder
Wenn es nicht auch
um all dies andere geht
dann geht es auch keinem mehr wirklich
um Kinder und Frieden
Erich Fried
One Hour
I have spent one hour
correcting
a poem that I have written
One hour
That means: In this time
1400 small children died of starvation
because every 2½ seconds
one child under five starves to death
in our world
Also for one hour
the arms race continued
and 62 million eight hundred thousand dollars
were spent in this one hour
for the protection of various powers
from each other
for the military spendings of the world
at the moment amount to
550 billion dollars per year
Our country also
contributes its mite
The question arises
if it still makes sense
to write poems
with the way things are
It maybe true
that some poems are about
military spendings and war
and starving children
But others are about
love and aging and
meadows and trees and mountains
and also about poems and pictures
If it wasn't also for
all these other things
then nobody really cares
about children and peace either anymore.
Translated from the German by Anna Kallio
Nicht nichts
Nicht nichts
ohne dich
aber nicht dasselbe
Nicht nichts
ohne dich
aber vielleicht weniger
Nicht nichts
aber weniger
und weniger
Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel
Wintergarten
Deinen Briefumschlag
mit den zwei gelben und roten Marken
habe ich eingepflanzt
in den Blumentopf
Ich will ihn
täglich begiessen
dann wachsen mir
deine Briefe
Schöne
und traurige Briefe
und Briefe
die nach dir riechen
Ich hätte das
frĂĽher tun sollen
nicht erst
so spät im Jahr
Aufhebung
Sein UnglĂĽck
ausatmen können
tief ausatmen
so daĂź man wieder
einatmen kann
Und vielleicht auch sein UnglĂĽck
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte
Und weinen können
Das wäre schon
fast wieder
GlĂĽck
Erich Fried
Compensation [Abolition]
To be able to breathe out
ones unhappiness
to breathe out deeply
so that one can
breathe in again
And perhaps being able to speak out
ones unhappiness
in words
in real words
which are connected together [coherent]
and make sense
and which oneself
still can understand
and which perhaps even
somebody else understands
or could understand
And to be able to cry
This again
nearly would be
happiness
Translation by M. Kaldenbach
Die lautere Wahrheit
Die ganze Unwahrheit
setzt sich aus lauter ganz wahren
Wahrheiten
oder
Teilwahrheiten zusammen
Nur haben sich die
miteinander
noch nie ganz
auseinandergesetzt
So ist die ganze
LĂĽge
möglich geworden
aus: Erich Fried; Gesammelte Werke, Band 3, Seite 259
Was weh tut Wenn ich dich
verliere
was
tut mir dann weh?
Nicht der Kopf
nicht der Körper
nicht die Arme
und nicht die Beine
Sie sind mĂĽde
aber sie tun nicht weh
oder nicht ärger
als das eine Bein immer wehtut
Das Atmen tut nicht weh
Es ist etwas beengt
aber weniger
als von einer Erkältung
Der RĂĽcken tut nicht weh
auch nicht der Magen
Die Nieren tun nicht weh
und auch nicht das Herz
Warum
ertrage ich es
dann nicht
dich zu verlieren?
Herrschaftsfreiheit Zu sagen
"Hier
herrscht Freiheit"
ist immer
ein Irrtum
oder auch
eine LĂĽge:
Freiheit
herrscht nicht
ERICH FRIED
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